Intelligente Medikamentenherstellung in Afrika wird Menschenleben retten

von Peter Sands, Exekutivdirektor des Globalen Fonds

07 November 2023

Die COVID-19-Pandemie hat die globalen Ungleichheiten im Gesundheitsbereich schonungslos vor Augen geführt. Die afrikanischen Länder bekamen die lebensrettenden Mittel, die zur Eindämmung des neuen Virus erforderlich sind, darunter Impfstoffe, Tests, Sauerstoff und persönliche Schutzausrüstung, als Letztes. Doch das ist kein neues Phänomen. Mehrere Jahre nachdem antiretrovirale HIV-Medikamente in Ländern mit hohem Einkommen allgemein erhältlich waren, wurden der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria gegründet und der Krisenplan des US-Präsidenten zur Bekämpfung von AIDS (PEPFAR) verabschiedet, um in Afrika einen breiteren Zugang zu diesen lebensrettenden Medikamenten sicherzustellen. Nahezu alle Tests, Medikamente, Impfstoffe und medizinischen Instrumente, die in Afrika zum Einsatz kommen, werden anderswo hergestellt. Wann immer also globale Engpässe bestehen oder Lieferketten unterbrochen werden, leiden die bedürftigen Menschen in Afrika am meisten. Bei einem globalen Gesundheitsnotstand zeichnen sich rasch nationale Prioritäten ab. Wer sich in der Schlange vordrängeln kann, tut dies auch.

Die afrikanischen Staats- und Regierungschef*innen haben richtig erkannt, dass mehr der benötigten medizinischen Mittel auf dem Kontinent hergestellt werden müssen, damit eine bessere Gesundheitssicherheit für ihre Bevölkerungen gewährleistet werden kann. Durch die Partnerschaft für die Herstellung von Impfstoffen in Afrika und Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmen, bilateralen Partnerorganisationen und multilateralen Agenturen wie der Impfallianz GAVI und CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness and Innovations, Koalition für Innovationen zur Bereitschaft bei neuen Epidemien) befinden sich inzwischen mehrere Impfstoffproduktionsanlagen in Ländern wie dem Senegal und Südafrika in der Entstehung.

Der Schwerpunkt liegt aktuell zwar überwiegend auf Impfstoffen, aber auch bei Diagnosetests und Arzneimitteln wurden echte Fortschritte verzeichnet. Der Globale Fonds kauft schon jetzt Malariamittel, mit Insektiziden behandelte Malarianetze und wichtige Arzneimittel von afrikanischen Herstellungsfirmen. Im August 2023 veröffentlichte der Globale Fonds in Zusammenarbeit mit PEPFAR, UNITAID und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Ausschreibung für HIV-Schnelltests, die in Afrika hergestellt werden. Im Oktober richtete der Globale Fonds zusammen mit diesen Partnern sowie dem Gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS), der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Afrikanischen Zentrum für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (Africa CDC) in Maputo, Mosambik, eine Konferenz zu antiretroviralen HIV-Medikamenten des öffentlichen und privaten Sektors mit ähnlichem Ziel aus.

Im Zuge des Projektfortschritts ist es wichtig, die unmittelbaren Hindernisse zu überwinden, aber gleichzeitig auch die längerfristige Nachhaltigkeit, den gleichberechtigten Zugang und die universelle Gesundheitsversorgung im Blick zu haben.

Ein wichtiger Faktor dabei ist die Marktnachfrage. Die Nachfrage nach medizinischen Produkten kann sich drastisch ändern, wenn sich Krankheiten entwickeln und Konkurrenzprodukte auf den Markt kommen. Privatwirtschaftliche Unternehmen investieren aber nur, wenn sie in etwa abschätzen können, wer das Produkt in welchem Umfang kaufen wird. Öffentlich finanzierte Produktionsprojekte können sich als überflüssig erweisen, wenn ihre Geldgeber*innen die Nachfrage allzu optimistisch einschätzen.

Deswegen konzentriert sich der Globale Fonds auf volumenstarke HIV- und Malariamittel, wie HIV-Tests, antiretrovirale Medikamente und mit Insektiziden behandelte Malarianetze. Im Jahr 2022 traten 51 % der HIV-Neuinfektionen in Subsahara-Afrika auf. 2021 waren 95 % aller Malariaerkrankungen und 96 % aller Malariatodesfälle der WHO-Region Afrika zuzuordnen. PEPFAR und der Globale Fonds sind die weltweit größten Geldgeber für Dienstleistungen und Beschaffung im Bereich der HIV-Bekämpfung. Allein auf den Globalen Fonds entfällt rund die Hälfte des globalen Markts für mit Insektiziden behandelte Netze, sodass er eine anhaltende Nachfrage nach diesen Produkten gewährleisten kann. Längerfristig wird die Arzneimittelherstellung in Afrika nur dann erfolgreich sein, wenn es damit möglich sein wird, einer deutlich größeren Anzahl an Abnehmern in der Region hochwertige Produkte bereitzustellen.

Von besonderer Bedeutung ist auch, dass in Afrika hergestellte Produkte zeitnah eine behördliche Zulassung erhalten, sodass multilaterale Organisationen wie der Globale Fonds sie beschaffen können. Insgesamt betrachtet, handelt es sich um ein hochkomplexes Feld, da sowohl die Produkte als auch die Produktionsanlagen auf globaler Ebene durch die WHO und auf nationaler Ebene durch die nationalen Regulierungsbehörden zugelassen werden müssen. Die rigorose Prüfung der Patientensicherheit und der Produktqualität sind dabei unabdingbar. Gleichwohl können diese Zulassungsverfahren extrem schwerfällig und teuer sein, und bis zu einer Zulassung können mehrere Jahre vergehen. Niemand investiert Gelder, wenn eine Produktionsstätte ihr Produkt über einen derart langen Zeitraum nicht verkaufen kann. Folglich arbeitet der Globale Fonds bei seiner Ausschreibung für in Afrika hergestellte HIV-Schnelltests im Rahmen eines Pilotprojekts gemeinsam mit PEPFAR und UNITAID an einem beschleunigten Verfahren, das auf einem Gutachten eines von der WHO einberufenen Sachverständigenausschusses beruht.

Auch die Gründung der Afrikanischen Arzneimittelagentur (AMA) könnte eine entscheidende Rolle spielen. Wenn Produkte mit AMA-Zulassung auf dem gesamten Kontinent verkauft werden können, wäre das bedeutend einfacher, als 54 verschiedene nationale Zulassungen zu erhalten. Doch die AMA befindet sich noch in einem vergleichsweise frühen Stadium.

Die nachhaltige Entwicklung einer regionalen Produktion erfordert darüber hinaus Rahmeninvestitionen zum Beispiel in den Bereichen wissenschaftliche und klinische Forschung, regulatorische Kompetenzen und Ausrüstungsdienstleistungen. Vor allem jedoch besteht die akute Notwendigkeit von Investitionen in Humankapital, da der Fachkräftemangel ein großes Erschwernis darstellt. Vor diesem Hintergrund kommt Partnerorganisationen eine entscheidende Rolle zu.

Nicht zuletzt muss auch die Preisgestaltung wettbewerbsfähig sein. Für die effiziente Herstellung medizinischer Produkte ist ein erheblicher Produktionsumfang erforderlich. Folglich benötigen afrikanische Arzneimittelfirmen Zugang zu regionalen Märkten, wobei es bei den meisten Produktkategorien nicht wirtschaftlich sein wird, wenn mehr als einige wenige Firmen auf dem Kontinent operieren. Der Globale Fonds setzt zur Erhöhung der Versorgungssicherheit auf einen wertebasierten Ansatz und hat sich für ein Gesamtkostenmodell unter Berücksichtigung der Logistikkosten entschieden. Allerdings werden afrikanische Herstellungsfirmen ihre Wettbewerbsfähigkeit bei den Kosten unter Beweis stellen müssen. Die lokale Herstellung ist entscheidend, wenn der gleichberechtigte Zugang zu medizinischen Produkten verbessert werden soll. Gleiches gilt aber auch für niedrige Preise. Wenn Millionen von Menschen in Afrika noch immer keinen Zugang zu lebensrettenden Medikamenten besitzen, weil sie unerschwinglich sind, ist allenfalls die Zahlung eines sehr geringen oder vorübergehenden Aufschlags für in Afrika hergestellte Gesundheitsprodukte zu rechtfertigen.

In dieser Hinsicht kann die lokale Herstellung von Medikamenten für die Primärtherapie von Tuberkulose (TB) als Warnung dienen. Obschon es äußerst erfolgreiche Beispiele gibt, missbrauchten lokale Herstellungsfirmen in mehreren Ländern ihren politischen Einfluss, um nationale Beschaffungsabkommen mit massiven Aufschlägen gegenüber den globalen Preisen durchzusetzen. Dabei trug eine mangelhafte Qualitätssicherung zur Ausbreitung der therapieresistenten TB bei. Menschen mit TB litten unter den Folgen.

Solche Beispiele sollten uns aber nicht davon abhalten, die Entwicklung der Herstellung medizinischer Güter in Afrika voranzutreiben. Es bedeutet lediglich, dass wir dabei intelligent vorgehen und stets die Risiken im Auge behalten sollten. Wir vom Globalen Fonds setzen uns dafür ein, die Entwicklung der regionalen Herstellung schnell in Gang zu setzen, damit die Menschen in Afrika in den Genuss einer besseren und sichereren Versorgung mit hochwertigen und erschwinglichen Tests, Arzneimitteln und sonstigen medizinischen Mitteln kommen. Nur so lassen sich globale Ungleichheiten im Gesundheitsbereich abbauen.

Dieser Gastbeitrag wurde zuerst in Forbes veröffentlicht.