Tuberkulose ein Ende setzen – jetzt oder nie

von Peter Sands, Exekutivdirektor des Globalen Fonds

07 November 2023

Tuberkulose (TB) gerät nur selten in die Schlagzeilen. Fakt ist jedoch, dass TB zu den tödlichsten Infektionskrankheiten der Welt zählt. Allein 2022 starben über 1,3 Millionen Menschen an TB, darunter 167.000 HIV-Infizierte. Das entspricht der erschütternden Zahl von 25.000 Todesfällen pro Woche. Obschon TB als behandelbar und heilbar gilt, stieg die Inzidenzrate dieser Krankheit zwischen 2020 und 2022 um 3,9 %. TB macht COVID-19 als tödlichster Infektionskrankheit der Welt Konkurrenz und stellt für Menschen, die in den ärmsten und am stärksten benachteiligten Gemeinschaften leben, eine noch größere Bedrohung dar. TB ist und bleibt die Pandemie der Armen.

Dennoch gibt es inzwischen Grund zur Hoffnung. Nach zwei Jahren katastrophaler COVID-19-bedingter Unterbrechnungen nehmen die TB-Programme jetzt wieder Fahrt auf. Tatsächlich hat sich die Zahl der Menschen, bei denen TB diagnostiziert und behandelt wird, drastisch erhöht. Dies geht aus dem globalen Tuberkulose-Bericht 2023 hervor, den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Dienstag vorgelegt hat. Diese Zunahme von Tests und Behandlungen hat die verheerenden Folgen von COVID-19 für die Eindämmung von TB hatte neutralisiert. Während der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 stieg die Zahl der TB-Todesfälle. 2022 kehrte sich dieser Trend um.

Dieser Erfolg ist Führungsstärke, Innovation und Partnerschaft zu verdanken. So haben sich beispielsweise in Indien die Meldungen von TB-Fällen dank eines robusten nationalen Programms zur TB-Überwachung beträchtlich erhöht. Obwohl die TB-Last in Indien höher ist als in jedem anderen Land, will es dieser Krankheit bis 2025 – fünf Jahre vor dem in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung festgelegten Ziel – ein Ende setzen. Auch Nigeria hat innovative Strategien für die gezielte Bekämpfung der Erkrankung umgesetzt. Dort werden kommunale Gesundheitshelfer*innen eingesetzt, die direkten Zugang zu Diagnosetools haben. Diese Beispiele führen eindringlich vor Augen, dass wir mit Entschlossenheit und einem koordinierten Vorgehen erhebliche Fortschritte bei der Eindämmung von TB erzielen können.

Die medikamentenresistente TB stellt eine gewaltige globale Gesundheitsbedrohung dar, die die antimikrobielle Resistenz weltweit verschlimmern könnte. Doch die Erfolgsraten der Behandlungen werden allmählich besser, da die Fortschritte in der Arzneimittelentwicklung kürzere und wirksamere Therapieschemata ermöglicht haben. Im Rahmen einer kürzlich von der Global Drug Facility (GDF) der Partnerschaft „Stop TB“ durchgeführten Ausschreibung erklärte sich Johnson & Johnson bereit, den Preis von Bedaquilin um 55 % zu senken. Damit liegen die Kosten des neuen sechsmonatigen Therapieschemas bei unter 500 US-Dollar. Zudem gab die GDF bekannt, den Preis der kürzeren dreimonatigen Behandlung zur TB-Prävention (als 3HP bezeichnet) um 30 % zu senken.

Da nunmehr bessere und kostengünstigere Behandlungen zur Verfügung stehen, gilt es, Menschen mit TB auszumachen, sodass sie behandelt werden können und andere nicht anstecken. Die höhere Verbreitung fortschrittlicher Molekulardiagnostik und digitaler Röntgengeräte bewirkt gegenwärtig einen Quantensprung bei der Ermittlung der von dieser schrecklichen Krankheit betroffenen Menschen. Durch jüngste Vereinbarungen zwischen dem Globalen Fonds, TB-Partner*innen, darunter die United States Agency for International Development (USAID) und die Partnerschaft „Stop TB“, und wichtigen Diagnostika-Anbietern wie Molbio und Cepheid, wird es möglich sein, Millionen weitere hochwertige TB-Tests durchzuführen. Die Vereinbarung zwischen dem Globalen Fonds und der Muttergesellschaft von Cepheid, Danaher, über die Lieferung von TB-Molekulartest-Kartuschen zum Gestehungspreis hat zum Beispiel zu einer Preisreduzierung von 20 % für jede Kartusche geführt.

Diese neuen und äußerst erfreulichen Preissenkungen werden den Zugang zu lebensrettenden Diagnosetests verbessern und mehr Menschen eine Behandlung ermöglichen.

Ebenso hat der Globale Fonds vor Kurzem eine Partnerschaft mit Siemens Healthineers über den Einsatz von KI-Tools bekannt gegeben, die eine schnelle und präzise Auswertung digitaler Röntgenaufnahmen ermöglichen. Der Globale Fonds arbeitet künftig aktiv mit Partner*innen wie der WHO, der Internationalen Fazilität zum Kauf von Medikamenten (UNITAID), der Impfallianz GAVI, der Partnerschaft „Stop TB“ und anderen zusammen, um die Einführung eines vielversprechenden neuen TB-Impfstoffs vorzubereiten.

Die zur Eindämmung von TB erfolgten Innovationen und Investitionen bringen einen gewaltigen Nutzen für die Pandemievorsorge mit sich und schaffen die Grundlage für eine universelle Gesundheitsversorgung. Die Investitionen der TB-Programme in Kapazitäten für Molekulardiagnostik, Krankheitsüberwachungssysteme, Möglichkeiten zur Atemtherapie, Kompetenzen für die Kontaktnachverfolgung sowie rigorose Maßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle trugen in vielen Ländern umfassend zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie bei und sind entscheidend beim Schutz vor künftigen Bedrohungen. Die TB-Programme sind darauf ausgerichtet, die ärmsten und schwächsten Bevölkerungsgruppen zu erreichen, damit Gesundheitsleistungen auch den am stärksten ausgegrenzten Menschen zugute kommen. Sie stellen so die Weichen für eine echte universelle Gesundheitsversorgung.

Gleichzeitig müssen wir uns einer unbequemen Tatsache stellen. Die Welt hat die meisten Ziele verfehlt, die beim Hochrangigen Treffen der Vereinten Nationen zur Eindämmung der Tuberkulose 2018 vereinbart wurden. Zudem sind wir noch weit davon entfernt, die Vorgabe des Ziels für nachhaltige Entwicklung, TB bis 2030 ein Ende zu setzen, zu erreichen. Beim letzten Hochrangigen Treffen der Vereinten Nationen zur Eindämmung der Tuberkulose im September 2023 bekräftigten die Staats- und Regierungschefs dieser Welt ihre Zusage, diese Krankheit ein für alle Mal zu eliminieren. Doch dies wird nur geschehen, wenn wir jetzt handeln und den Kurs ändern.

Wenn wir unsere Bemühungen zur Eindämmung von TB verstärken, den Zugang zur TB-Prävention, -Testung und -Behandlung verbessern und die neuesten Innovationen und Preissenkungen voll ausschöpfen, werden wir Millionen von Menschenleben retten und eine der tödlichsten Krankheiten besiegen, von denen die Menschheit je heimgesucht wurde. Darüber hinaus werden wir eine stärker pandemieresiliente Welt schaffen und schneller Fortschritte auf dem Weg zur universellen Gesundheitsversorgung erreichen. Investitionen in die Eindämmung von TB funktionieren und erzielen eine außergewöhnliche Wirkung. Diese Chance dürfen wir nicht verpassen!

Dieser Gastbeitrag wurde zuerst in Forbes veröffentlicht.